Studientag der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen zur Reformation
Ökumene heißt beschenkt werden
20.06.2017 ast Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Barnikol-LübeckAbschlussgottesdienst in WetzlarDabei ging es um den Spagat zwischen notwendigen Abgrenzungen und einem ökumenischen Gespräch, das aufeinander zugeht, um Fragen, die ohne Antwort bleiben und doch aufgehoben sind in der Begegnung mit Gott und um das Geschenk gelingenden Miteinanders im Reden, Essen und Feiern. „Wir wollen vier Kirchenstrukturen miteinander verbinden und aus der Perspektive von vier unterschiedliche geprägten Menschen auf die Reformation schauen“, legte der evangelische Ökumenepfarrer und ACK-Vorsitzende Bernd Apel dar, der gemeinsam mit seinem katholischen Stellvertreter Diakon Norbert Hark durch den Tag führte. Für die Evangelischen Kirchenkreise Braunfels und Wetzlar nahm Pfarrer Dr. Hartmut Sitzler am Studientag teil, für die Katholische Kirche im Bezirk Wetzlar Bezirksdekan Pfarrer Dr. Christof May. Die Begrüßung hatte Ortspastorin Sabine Bockel übernommen.
Die Reformation sei eine Seelsorgebewegung gewesen, erklärte der evangelische Pfarrer Matthias Schmidt, da es hier um die menschliche Seele ging. Der Propst von Oberhessen betonte, wie wichtig es sei, als Kirche zu den Menschen zu gehen und ihnen vom Trost Christi zu erzählen. Gleichzeitig müsse Kirche den Mut haben, in der Gesellschaft das Evangelium ins Gespräch sowie Glauben und Denken in Einklang zu bringen. Wolfgang Beck, katholischer Professor an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen Frankfurt plädierte dafür, sich von der Reformation „wohltuend irritieren zu lassen“. Lernen könne man von ihr das gemeinsame Ringen um Fragen und Antworten („Synodalität“), das Aushalten und Integrieren der unterschiedlicher Glaubenshaltungen („Pluralitätskompetenz“) sowie das Bemühen, die gesamte Gesellschaft mit zu gestalten („öffentliche Theologie“).
Bewegend die Geschichte, die Archimandrit (vergleichbar dem Superintendent oder Dekan) Dr. Athenagoras Ziliaskopoulos aus Frankfurt erzählte. Der Pfarrer der Griechisch-Orthodoxen Metropolie in Deutschland erlebte als Junge den evangelischen Kindergottesdienst in seinem schwäbischen Dorf wie im Paradies. „Hier steht ein orthodoxer Pfarrer, der nicht Pfarrer geworden wäre, wenn er das nicht erlebt hätte“, bekannte er. Dass die Reformation den Weg für die Ökumene öffne, habe er ganz persönlich erfahren: „Was wären wir hier als Orthodoxe in der Diaspora ohne die evangelische Kirche?“ Doch müssten die Enkelkinder der Reformation angesichts des Mitgliederschwunds in der Kirche den Geist Luthers wiederentdecken und zu ihr zurückkehren. Die grundlegende Frage in seinem Leben hätte gelautet: „Glaubst du an Jesus?“ So schilderte es Dr. Berthold Schwarz, Dozent für Systematische Theologie an der Freien Theologischen Hochschule (FTH) Gießen. Beim gemeinsamen Wort der EKD und der Deutschen Bischofskonferenz „Erinnerung heilen – Jesus Christus bezeugen“ zum Reformationsjubiläum in diesem Jahr vermisst er die Erwähnung der Freikirchen. „Das schmerzt mich“, teilte der Theologe mit, „denn die Freikirchen fühlen sich ebenso in der Reformation verankert.“ Wichtig sei ihnen dabei vor allem die Möglichkeit der freien Religionsausübung, auch durch die Trennung von Staat und Kirche, und die persönliche Glaubensüberzeugung.
Der Studientag mündete nach einem regen Gruppenaustausch in einen Gottesdienst im Wetzlarer Dom, bei dem zehn Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche sowie der Freikirchen die Liturgie mit gestalteten. Mit Pastor Reinhard Reitenspieß von der Evangelischen Gemeinschaft Heuchelheim und Pfarrer Norbert Rudzinski von der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) Allendorf/Lumda waren auch zwei ACK-Gastmitglieder dabei. Es spielte die Anskar-Band. Ein gelungenes „ökumenisches Abenteuer“ wagten der katholische Pfarrer Peter Kollas (Wetzlar) und der evangelische Dekan Frank-Tilo Becher (Gießen) mit einer Dialogpredigt, die aus dem Augenblick heraus entstand. In ihrer Auslegung zu Kapitel 1, Verse 35 bis 42 aus dem Johannesevangelium wurde deutlich, dass Ökumene etwas mit Suchen und Fragen auf dem gemeinsamen Weg, mit echter Begegnung, wie es bei Jesus und seinen Jüngern war, zu tun hat und mit der Bereicherung, Unterschiedliches wahrnehmen und sich dadurch auch provozieren lassen zu können. „Es geht nicht darum, in welcher Kirche wir sind“, erklärte Becher, „sondern es geht darum, dass wir Christus nachfolgen.“ „Ökumene bedeutet, beschenkt zu werden“, ergänzte Kollas, „denn lernen kann man nur in der Begegnung.“
Während des Gottesdienstes trugen Vertreter unterschiedlicher Konfessionen für ihr Glaubensverständnis wichtige liturgische Gegenstände zum Altar und der dort befindlichen Osterkerze: eine Bibel für die Begegnung mit dem Gott der Liebe (evangelischer Pfarrer Wolfgang Grieb), eine Ikone für die Erkenntnis Gottes im Abbild (katholischer Diakon Norbert Hark stellvertretend für die orthodoxe Kirche), eine Hostienschale für die Gegenwart Gottes in den Sakramenten (katholische Dekanatsreferentin Anke Schwalbenhofer) und ein Kreuz als Zeichen der Erlösung (evangelisch-freikirchliche Pastorin Sabine Bockel).
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