"Ohne Bildung chancenlos"
Sozialpolitisches Forum in der Jugendwerkstatt Gießen
HartmannDie Teilnehmer beim Forum Pankratius: (v.l.) Lena Becher, Frank-Tilo Becher, Manuela Giorgis, Katrin Schleenbecker, Pfarrerin Anette Bill, Andrea Walker, Diego Semmler, Francesco Arman und Arno Enners13.09.2018 mhart Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Diesmal war die Vortragsreihe zu Gast in der Jugendwerkstatt Gießen, die vor allem benachteiligte Jugendliche und Langzeitarbeitslose qualifiziert.
Mehr Arbeitslose als in der Statistik
Schwer in den Arbeitsmarkt zu vermitteln seien außerdem Ältere, Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen, mit Migrationshintergrund oder mit mangelnder Beherrschung der deutschen Sprache, außerdem Mütter oder Personen, die Angehörige pflegen. Zwar verzeichneten die Statistiken kontinuierlich sinkende Arbeitslosigkeit, doch sei die Zahl der Betroffenen größer, so die Sozialwissenschaftlerin vom Institut für Sozialpolitik und Arbeitsmarktforschung der Hochschule Koblenz. Unterbeschäftigte, wegen Krankheit Arbeitsunfähige, über 58jährige ohne Jobangebote während der letzten 12 Monate oder viele Hartz-IV-Bezieher würden in der Statistik nicht genannt. Lena Becher bedauerte, dass arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, beispielsweise Qualifizierungsmaßnahmen wie in der Jugendwerkstatt „extrem eingebrochen“ seien.
Anette Bill, Pfarrerin der kirchlichen Jugendwerkstatt, hatte die Gießener Landtagskandidaten aller Parteien eingeladen, die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt zu kommentieren und sich sieben Wochen vor der Hessen-Wahl beim „Forum Pankratius“ zu positionieren. Vor allem bildungspolitisch wollen alle Direktkandidaten langfristig den Hebel ansetzen.
"Arbeit statt Arbeitslosigkeit fördern"
Der AfD-Kandidat Arno Enners äußerte Zweifel, dass die lange vom Arbeitsmarkt abgehängten Menschen wieder untergebracht werden könnten. Er kritisierte, der Staat reagiere nur, statt sich zu reformieren. Katrin Schleenbecker von den Grünen äußerte sich konkreter und forderte gezielte Ausbildungsprogramme für Menschen bis 35 Jahre und eine staatlich geförderte pädagogische Betreuung benachteiligter Jugendlicher. „Die Gesellschaft muss Arbeit fördern, statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren“, so die Grüne. Für eine frühkindliche Bildungsoffensive, die bereits in der Kita ansetze und Kinder aus sozial schwierigen Verhältnissen in den Blick nehme, votierte Manuela Giorgis von der FDP. Sie kritisierte, dass sinnvolle Maßnahmen der Qualifizierung benachteiligter Jugendliche gestrichen werden.
Unterstützung für Qualifizierungsmaßnahmen
Dr. Diego Semmler, der für die Freien Wähler kandidiert, sprach sich ebenfalls für frühzeitige Bildungsförderung, kostenlose Kitas, Qualifizierung der Schulen, eine stärkere Orientierung auf berufliche Bildung und eine Förderung des Mittelstands aus. Gemeinwohlarbeit und ehrenamtliche Arbeit sei stärker zu fördern. Der SPD-Direktkandidat Frank-Tilo Becher sprach sich für den Ausbau von Ganztagsschulen und die Stärkung des Fachs „Arbeitslehre“ aus. Freie Träger von Qualifizierungsmaßnahmen müssten mit Förderprogrammen unterstützt werden. Außerdem forderte er Landesprogramme für benachteiligte Jugendliche. Und, es müsse genau beobachtet werden, wer soziale und pädagogische Begleitung brauche. Besonders Alleinerziehende benötigten hier Unterstützung.
"Mehr Personal für Kitas"
Andrea Walker, die anstelle des CDU-Kandidaten Möller auf dem Podium saß, plädierte für die gezielte Qualifizierung von Grundschullehrern. Sie müssten Familien bereits am Ende von Klasse Vier beraten können, welche Wege und Chancen Kinder in der beruflichen Bildung jenseits von Abi und Uni haben. Sie sprach sich auch für eine gezielte Vorbereitung von Menschen mit Behinderungen für die Arbeitswelt aus. Schließlich forderte Linke-Kandidat Francesco Arman mehr Personal für Kitas und kostenlose Gesamtschulen. Der Fachkräftemangel etwa im pädagogischen Bereich könne nur durch die Schaffung attraktiver Arbeitsbedingungen im sozialen Bereich behoben werden. Auch er sprach sich für eine Unterstützung freier Träger von Qualifizierungsmaßnahmen benachteiligter Jugendlicher aus.
Dass am Ende alle Kandidaten schulische und berufliche Qualifizierung, wie sie die Jugendwerkstatt anbietet, auch in Zukunft unterstützen wollten, war denn nicht nur Höflichkeit für den Gastgeber, sondern auch die Konsequenz aus ihren sozial- und bildungspolitischen Vorstellungen.
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