Gießener Klinikpfarrer geht in den Ruhestand
Seelsorger für trauernde Eltern
HartmannAnsprechpartner für ängstliche und trauernde Eltern. Der Gießener Klinikpfarrer Thomas Born.06.12.2018 mhart Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Ist ein Kind krank, sind die Eltern aufgeregt und ängstlich, weiß Thomas Born. Er trifft sie in den Krankenzimmern. Etwa in der Neugeborenen-Stationen, wo zu früh geborene Kinder im Brutkasten oder Wärmebettchen liegen. Die jungen Eltern stehen unter Schock, sie sind überrollt von der Situation. Ins Gespräch kommt er mit einfachen Gesten. „Auch wenn es der Situation scheinbar nicht angemessen ist, gratuliere ich den Eltern zur Geburt ihres Kindes.“ Oft haben der Vater oder die Mutter das kleine Kind auf der Brust liegen. Sie erzählen dem Pfarrer von den Ereignissen und ihren Ängsten. „Wie fasse ich mein Kind, dieses winzige, zarte Wesen an, ohne es zu verletzen?“ Diese unsichere Frage hört er immer wieder. Aber auch: „Warum passiert uns das? Wo ist Gott jetzt?“
Für den Zorn auf Gott hat er Verständnis
Für Thomas Born sind Leid und Tod im Krankenhaus im Lauf der Jahre eine ständige Anfechtung geblieben. Für die Klage und den Zorn trauernder Eltern auf Gott hat er Verständnis. Um sein Gleichgewicht zu behalten, lenkt er den Blick darauf, dass Leben auch gelingt.
Er hat auch schon im Klinikzimmer Nottaufen vollzogen, wenn das Baby zu sterben droht. An diesen bewegenden Momenten nimmt ein kleiner Kreis von Menschen der Familie teil, immer wieder auch Ärzte oder Pflegekräfte. Mitunter ist er an seine emotionalen Grenzen gestoßen. Born erinnert sich daran, als ein Frühchen aus einer muslimischen Familie gestorben war. Der christliche Pfarrer sollte auf Wunsch der Mutter ein Gebet sprechen. Als er das Gebet sprechen will, legte ihm die Großmutter das tote Baby in den Arm, erinnert sich Thomas Born heute noch sichtlich bewegt an die Situation.
Trauernde Eltern werden (nicht) allein gelassen
Wenn ein Kind stirbt, bleiben Eltern mit ihrer Trauer leider oft allein. Ratlos, wie sie Eltern beistehen können, ziehen sich Freunde und Bekannte zurück. Einmal im Jahr laden die evangelische und katholische Klinikseelsorge sowie Selbsthilfegruppen am 2. Advent zu einem Gedenkgottesdienst für verstorbene Kinder in die Gießener Petruskirche ein. Das Motto lautet: „Ein Platz, der leer bleibt !?“ Der Gottesdienst ist seit vielen Jahren Treffpunkt für betroffene Familien in der Region. Für die Kinder werden Kerzen angezündet und ihre Namen werden in ein Buch geschrieben.
Thomas Born möchte betroffenen Eltern vermitteln, dass sie in ihrer Trauer nicht allein sind. Familien, die den Tod eines Kindes erlitten haben, erlebten oft, dass „Freunde und Bekannte sie meiden“. Der Tod eines Kindes bleibe unbegreiflich. Der Gottesdienst und das anschließende Treffen sei ein tröstlicher Moment. „Es geht darum, den verstorbenen Kindern einen Platz zu geben und deutlich zu machen, dass sie einen Platz im Herzen der Menschen und im Herzen Gottes haben“, so Born.
Kontakte über Jahre
Zu einigen Eltern, deren Kinder über Jahre immer wieder in der Gießener Uniklinik behandelt werden, hat er seit langem Kontakt. Manchmal rufen sie vor Kontrolluntersuchungen an und melden sich bei ihm für ein Gespräch an. „Ich bekomme Postkarten zur Einschulung eines Kinds, das als Frühchen hier war oder Eltern schicken mir die Anzeige zur Geburt eines zweiten, gesunden Geschwisterchens.“
Heiligabend letzter Klinik-Gottesdienst
So gerne er Pfarrer und Klinikseelsorger ist, freut er sich doch auf die Zeit ohne nächtliche Rufbereitschaft und Notdienste. Durchwachte Nächte im Krankenhaus und die emotionale Belastung stecke er doch nicht mehr so leicht weg. Seinen letzten Gottesdienst in der Kapelle des Uniklinikums (Neubau) feiert er übrigens am Heiligen Abend, 15 Uhr, einige Tage nach seiner offiziellen Verabschiedung.
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