Nordstadt
Pfarrer Rolf Noormann geht in den Ruhestand
HartmannPfarrer Rolf Noormann ist jetzt Ruheständler02.09.2022 mhart Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Bei Tauf- oder Beerdigungsgesprächen hat er immer wieder wahrgenommen, dass auch für Familien, die nicht zum für die evangelische Kirche typischen, eher bürgerlichen oder gebildeten Milieu gehören, die Kirchenmitgliedschaft selbstverständlich bleibt. „Und das, obwohl die evangelische Kirche für diese Menschen viel zu wenig anbietet“, kritisiert Noormann. Sein Leitbild war ein Berufsleben lang eine „offene Kirche“, in die alle Menschen eingeladen sind, selbst wenn sie keine Mitglieder sind. „Ich habe hier gearbeitet, ohne nachzufragen, ob die Menschen zur Kirche gehören oder nicht. Und von vielen wusste ich es tatsächlich auch nicht.“
Zusammenarbeit mit Vereinen in der Nordstadt
In den zurückliegenden sechs Jahren entwickelte sich eine selbstverständliche Zusammenarbeit mit Gruppen, Vereinen und Initiativen, die mit der Kirche gar nichts zu tun haben. Einige reagierten zunächst auch misstrauisch, weil sie fürchteten, von der Kirche vereinnahmt zu werden. „Warum kommt jetzt ein Pfarrer dazu?“ Diese Frage stand zu Beginn oft im Raum. Noormann freut sich über das gewachsene Vertrauen. Dabei hat auch das in der Nordstadt eigentlich Tradition. Bereits in den neunziger Jahren engagierte sich ein damals junger Pfarrer der Paulusgemeinde für die Gemeinwesenarbeit; der heutige Gießener OB, Frank-Tilo Becher.
Beispielsweise wird der Verein „Aktion – Perspektiven für junge Menschen und Familien“ seine Beratungsstelle Aktino im geplanten Familienzentrum der Gemeinde einrichten. Aktino ist eine allgemeine Anlaufstelle für Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene sowie deren Eltern und Bezugspersonen in der Gießener Nordstadt. Als Kontakt- und Beratungsstelle bietet der Verein jungen Menschen Integrations- und Orientierungshilfen in schwierigen Lebenssituationen.
Im nächsten Sommer beginnen die Bauarbeiten. Die alte Paulus-Kita in der Reichenberger Straße weicht einem viergeschossigen Neubau. Zwei Etagen Kita, eine Etage mit Räumen, die von Vereinen angemietet werden können und ein viertes Geschoss mit Sozialwohnungen. Finanziert wird das nicht von einem privaten Investor, sondern von der zentralen Pfarreivermögensverwaltung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Hier wird ein Aspekt der „offenen Kirche“ lebendig, wie sie dem Theologen immer vorgeschwebt hat.
Menschen zuhören und ihnen Raum geben
Noormann ist in Dillenburg aufgewachsen und zur Schule gegangen. Nach dem Theologiestudium in Bethel, Tübingen und Marburg hat er in den achtziger Jahren sein Vikariat in Limburg absolviert, war dann Pfarrer in Obererlenbach und bis 2004 Gemeindepfarrer in Frankfurt-Bonames. Gießen war ihm nicht ganz fremd, hat er doch während des Studiums in Marburg in Heuchelheim gewohnt und in einem Projekt in der Margarethenhütte mitgearbeitet. Gerne blickt er auf seine Arbeit als Pfarrer in einem Frankfurter Altenpflegeheim zurück. Dort konnte er für die Menschen da sein, ihnen zuhören, ihnen Raum geben und sie auf ihrer letzten Lebensstation begleiten.
In Gießen erwartete ihn vor sechs noch einmal eine Gestaltungsaufgabe. Zunehmend arbeiten benachbarte Kirchengemeinden eng zusammen oder fusionieren gar miteinander. Die gemeinsame Zukunft für die Gemeinden Paulus, Thomas und Michael (Wieseck) zeichnete sich bereits ab. Noormann sollte den Prozess, unterschiedlich geprägte Gemeinden zusammenzuführen, begleiten. Mittlerweile ist aus diesen drei Gemeinden die Evangelische Gesamtkirchengemeinde Gießen Nord entstanden. „Mit der Dynamik der Vereinigung und dem jetzt Erreichten bin ich zufrieden, auch wenn es ohne Corona anders gelaufen wäre.“ Über viele Monate konnten die Leitungen aus den drei Gemeinden lediglich in Video-Konferenzen miteinander sprechen. Dadurch kam das praktische Zusammenwachsen ins Stocken. „Am Computer-Bildschirm gelang kein lebendiger Austausch, Spannungen oder Enttäuschungen kamen nicht wirklich zur Sprache“. Rolf Noormann erinnert sich daran, dass es mehr ein „Abarbeiten vorbereiteter Entscheidungen“ war.
In Gießen will Noormann alt werden
Vor sechs Jahren hat ihm die Metropole Frankfurt sehr gefehlt und Gießen wollte ihm zunächst nicht wirklich gefallen, gesteht Noormann heute. „Doch ich habe längst viel Schönes entdeckt“. Nun will er hier sogar alt werden, im Süden Gießens, gemeinsam mit seiner Frau, die noch eine Weile als Schulpfarrerin in der Stadt arbeitet. Der Nordstadt bleibt er aber treu. Mit viel Freude kickt er weiter bei den „Alten Herren“ von Blau-Weiß Gießen.
Pfarrer Rolf Noormann wird am Sonntag, 4. September, um 14 Uhr in einem Gottesdienst in der Pauluskirche (Egerländer Straße 6) von Propst Matthias Schmidt entpflichtet und in den Ruhestand verabschiedet.
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