„Wen wollen wir einbeziehen?“
Petra Schramm neue Behinderten-Seelsorgerin in Gießen
HartmannPfarrerin Petra Schramm - Behindertenseelsorge Gießen20.01.2020 mhart Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Noch ist behinderten Menschen die Teilnahme am Gottesdienst oder Gemeindeveranstaltungen häufig nur eingeschränkt möglich. „Natürlich haben sich zahlreiche Gemeinden in den letzten Jahrzehnten mit viel Erfolg darum bemüht, Barrieren abzubauen und Zugänge für Menschen im Rollstuhl oder mit Rollatoren zu schaffen“, sagt die neue Behindertenseelsorgerin. Doch oft fehlt es noch an Bewegungsfreiheit im Kirchenrum oder sanitären Einrichtungen in Kirchen, sagt Petra Schramm.
"Wen wollen wir einbeziehen?"
Ihre neue Aufgabe sei aber beileibe kein Auftrag für eine Bauingenieurin. Teilhabe für alle Menschen möglich zu machen, sei eine theologische Herausforderung. Behindertenseelsorge ist die Zuwendung für Menschen, die geistig, psychisch oder körperlich behindert sind. Auch Jesus habe sich allen Menschen bedingungslos zugewandt. „Ich öffne mich Menschen in ihrem Dasein und bin da, wo sie mich brauchen“, beschreibt die Pfarrerin ihren Seelsorge-Begriff. Bevor ein Architekt ein Kirchenschiff umbaut, müsse bei den Verantwortlichen in der Gemeinde ein Bewusstsein gewachsen sein, „dass jeder Mensch ganz natürlich dazu gehört und akzeptiert wird“. Nichts anderes bedeutet Inklusion, so Petra Schramm. Dabei wird die Frage „Wen wollen wir einbeziehen?“ zum Kernthema einer zeitgemäßen Kirchengemeinde und betrifft keineswegs nur behinderte Menschen.
"Miteinander und voneinander lernen"
Petra Schramm war seit 2014 bis Dezember 2019 Pfarrerin in Kinzenbach und Heuchelheim. Sie stammt aus Kleinlinden in Gießen und hat an der Liebig-Schule Abitur gemacht. Nach dem Theologiestudium, einem Auslandsaufenthalt, dem Vikariat in Langen und dem Pfarrvikariat im Odenwald war sie 17 Jahre Pfarrerin in Weilburg . Aus dem Gemeindealltag dort und der Zusammenarbeit mit einer Wohngruppe der Lebenshilfe ist ihr der Kontakt mit behinderten Menschen vertraut. Den früher so geläufigen Begriff Integration mag sie eigentlich nicht. „In der Praxis hieß das oft, behinderte Menschen müssen mehr wie wir andere werden.“ Mit Inklusion verbindet sie vor allem mit einander und voneinander zu lernen. Im Konfirmandenunterricht in Weilburg hatte sie Jugendliche, die trotz ihrer Behinderungen selbstverständlicher Teil der Gruppe waren. Natürlich gebe es auch Momente, die für alle Beteiligten eine Überlastung sind. „Darauf aufmerksam schauen und reagieren, das ist Inklusion.“
Konfirmandenunterricht in der Förderschule
Schramms Vorgänger, der im Herbst 2019 verabschiedete Pfarrer Armin Gissel, hat neben dem Aufbau der Tagesstätte enge Beziehungen zur Albert-Schweitzer-Schule und zur Martin-Buber-Schule, einer Förderschule mit Schwerpunkt Geistige Entwicklung, in Gießen geknüpft. Das will Petra Schramm fortsetzen, mit Gottesdiensten und dem Angebot von Konfirmandenunterricht. In die eingespielte Arbeit der Tagesstätte in der eine Gemeindepädagogin, zwei Heilerziehungspfleger, Praktikanten und Ehrenamtliche mitarbeiten, will sie Stück für Stück hineinwachsen. In diesem Jahr wird sie noch keine eigene Freizeit anbieten, sondern bei zwei Angeboten der Behindertenseelsorge mitfahren. Geplant ist, dass sie in der ersten Maihälfte nach Kärnten in Österreich mitfährt und im Herbst auf eine Kurzfreizeit nach Dernbach. Auf diesen Freizeiten sind viele Ehrenamtliche engagiert, dafür ist Petra Schramm sehr dankbar. 27 Plätze hat die Einrichtung, die an fünf Tagen in der Woche von morgens bis nachmittags älteren Behinderten einen festen Tagesablauf anbietet. Dass sie nicht nur für die Besucher Ansprechpartnerin ist, sondern auch für deren Angehörige und die Mitarbeitenden hat sie schon gleich in den ersten Wochen festgestellt.
Am Sonntag, 26. Januar, 14 Uhr, wird sie in einem Gottesdienst in der Ev. Petruskirche, Wartweg 9, von Dekan André Witte-Karp in ihre neue Aufgabe offiziell eingeführt.
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