Offene Türen - Zur Jahreslosung 2022
HartmannPfarrer Andreas Specht, Stellvertrender Dekan des Evangelischen Dekanats Gießen29.12.2021 mhart Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Da standen sie nun auf dem Parkplatz vor dem Mietshaus und warteten. Der Wind pfiff das Rheintal hinunter. Es war ungemütlich. Meine Eltern hatten sich auf den Weg gemacht in die Schweiz, um meine Tante zu besuchen. Und sie waren viel zu früh. Sie hatten an der Haustür geklingelt. Mehrfach sogar. Aber meine Tante hatte nicht geöffnet. Offensichtlich war sie noch nicht da. Schade.
Doch nach einer halben Stunde kam sie. Die Einkaufstasche vollgepackt: „Ja, warum seid Ihr denn nicht reingegangen?“ – Verblüfft schauten meine Eltern sie an: „Aber es ist doch niemand da, der uns aufmachen kann!“ – „Ja, wieso denn? Die Türe ist doch offen!“, entgegnete meine Tante. Und sie lehnte sich mit dem Rücken gegen die Haustür. Die Tür schwang auf. Meine Eltern schauten skeptisch. Doch auch bei der Wohnungstür im zweiten Stock reichte ein Druck auf die Türklinke zum Öffnen. „Hier haben wir immer die Türe offen“, erklärte die Tante meinen verblüfften Eltern; „wenn jemand zu mir will, ist er herzlich willkommen!“
Unglaublich, oder? Obwohl es eigentlich genauso unglaublich ist, in wie vielen Regionen Deutschlands es bis vor gar nicht so langer Zeit ähnlich zugegangen ist: Auf den Dörfern im Vogelsberg etwa habe ich das erlebt. Die Vordertür war zwar meistens verschlossen. Aber wenn ich hintenherum gegangen bin, dann reichte ein Druck auf die Türklinke zum Öffnen. Ein kurzes Rufen, ob jemand da ist. Und schnell saß ich auf der Eckbank in der Küche und merkte, ich war willkommen. Was für ein gutes Gefühl!
Genau so verstehe ich die die neue Jahreslosung für 2022: Christus spricht: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ (Joh 6,37)
Das heißt doch nichts anderes als: „Meine Tür steht Dir offen. Komm rein und nimm Platz. Ich freue mich, dass Du da bist.“
Wie gut tut das, dass sich wenigstens einer traut, auch in unserer Zeit seine Tür offen zu halten.
Pfarrer Andreas Specht ist Stellvertretender Dekan des Ev. Dekanats Gießen
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