Dekanat Gießen

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          Mose verbindet christliche und muslimische Familien

          Kirchengemeinde fördert Integration im Dorf

          HartmannMose-Musical in der Hausener Kirche

          Die Kirchengemeinde Hausen fördert mit einem Musical Integration im Dorf und hilft dabei, Spannungen in der Grundschule abzubauen.

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          In der Hausener Kirche (Pohlheim) sind wie sonst nur an Heiligabend alle Bänke eng besetzt. Kinder führen Ende Januar ein Musical auf. Die ersten Sätze umreißen die Spannungen im 2000-Seelen-Dorf. „Besonders in letzter Zeit gibt es ständig Ärger in der Schule. Immer wieder geraten Leute aus unterschiedlichen Ländern mit verschiedenen Religionen aneinander!“

          Spannungen in der Grundschule

          Vordergründig erzählt das Singspiel von der Sklaverei und der Flucht, die Mose und die Israeliten vor Jahrtausenden erlebt haben. Doch um die biblische Geschichte herum hat Beate Korf aus Hausen den Alltag in Kindergarten und Schule verwoben. Seit vielen Jahren leitet sie gemeinsam mit der Lehrerin Birthe Steiß die Arbeit mit Kindern in der Kirchengemeinde. Nun hatte die Grundschule Beate Korf gebeten, aktiv zu werden. Denn dort traten Spannungen auf. Die Schulleiterin Maraike Kollmann fühlte sich herausgefordert. „Ich habe beobachtet, dass der Geburtstagseinladung eines muslimischen Mädchens kein einziges Kind gefolgt war.“ Auf dem Pausenhof spielten Kinder nicht miteinander, weil die Eltern es verboten hatten. Vorurteile haben aber alle Beteiligten, weiß die Pädagogin. Es gab Beleidigungen am Rand. Diffuse Ängste wurden offenbart. Ein Mädchen beschwerte sich: „Man tritt hier im Dorf vor die Tür und kennt gar keinen mehr“. Das sind doch keine eigenständigen Gedanken eines Mädchens, sagt die Pädagogin. „Das geht nicht!“, entschieden alle Lehrerinnen und Lehrer, schrieben einen Elternbrief und bereiteten eine Projektwoche vor. Wenn das Zusammenleben nicht in der Schule funktioniert, wo dann?

          Ein Dorf wird multi-kultureller

          Seit Jahren wird Hausen, am östlichen Gießener Stadtrand gelegen, multi-kultureller. Zahlreiche aramäische Familien sind in den letzten Jahrzehnten zugezogen, „weil sie ihre christliche, syrisch-orthodoxe Tradition und ihren Glauben in der Türkei oder in anderen muslimischen Ländern im Mittleren Osten ohne Diskriminierung nicht leben konnten“, erzählt Beate Korf. Nach 2015 flohen nun auch muslimische Familien vor dem Krieg in Syrien und dem Irak in eine für sie fremde Umgebung. Einige Familien kommen auch nach Hausen, ebenso wie Menschen aus Afghanistan oder Nordafrika. Daraus ergibt sich buntes Zusammenleben, aber es erwachsen auch Spannungen und die zeigen sich zuerst in der Schule. In einer überschaubaren Einrichtung wie der Hausener Grundschule sind plötzlich Kinder aus über zehn Nationen vertreten. „Heimat“, diese Kategorie ist im Wandel, global und genauso am Schiffenberg.

          "Was wollt ihr hier in unsrem Land ...?"

          Im Musical in der evangelischen Kirche werden die unterschiedlichen Perspektiven krass vor Augen geführt. Kinder singen: „Was wollt ihr hier in unsrem Land | hat euch wer von zu Haus verbannt? |Ihr seid ganz anders, seid uns fremd, |ich muss es sagen- ungehemmt!“ Geantwortet wird ihnen:  „Was soll‘n wir hier, es ist so kalt, | gibt wenig Freundschaft, viel Gewalt! | Versteh’n kein Wort hier, sind allein, | Soll das die neue Heimat sein?“

          Heimat - Jahresthema des Dekanats Gießen

          Beate Korf ist eine gute Vermittlerin. Seit 1998 Jahren gestaltet die promovierte Ärztin, die auch in Lich und Laubach musikalisch aktiv ist, die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zwischen vier und sechzehn Jahren. Im Mittelpunkt steht dabei die Musik. Vor dem Hintergrund wachsender Spannungen zwischen den Schülern bittet die Hausener Schulleiterin Maraike Kollmann sie um Unterstützung. Beate Korf, die auch in der 1. und 2. Klasse der Hausener Grundschule Musik unterrichtet und den Schulchor leitet, soll bei der Planung und Gestaltung einer Projektwoche mithelfen. Kollmann weiß von der Arbeit mit Kindern in der Kirchengemeinde zum Jahresthema „Heimat“. Dieses Projekt wurde 2019 vom Evangelischen Dekanat Gießen gefördert, das Mittel für ein Jahresthema „Heimat. Lust auf Region“ ausgelobt hatte.

          "Wo sind Milch und Honig?"

          So entstand zunächst für die Kirchengemeinde das Musical „Fern der Heimat. Und wo sind Milch und Honig? Auszug aus Ägypten“. Beate Korf schrieb die Texte, ihre Tochter Johanna Korf, Kantorin in Mansfeld (Südharz), komponierte die Musik. Jahr um Jahr verfassen die beiden Musicals für die Ferienspiele im Sommer und für Weihnachten. Kinder vom Kindergartenalter bis zur 8. Klasse singen und spielen dabei mit. „Unser Ziel war es, das Thema Heimat für Kinder greifbar zu machen. Dass sich Heimat verändert, dass Familien ihre Heimat verlassen mussten und im Ort neue Heimat finden mussten, ist uns in Hausen vertraut“, erzählt Beate Korf. 

          Bedürfnisse nach Geborgenheit und Sicherheit

          Natürlich sind die Maßstäbe für Heimat verschieden und geprägt von der individuellen Biografie und doch bilden sie die gleichen ur-menschlichen Bedürfnisse nach Geborgenheit und Sicherheit ab, weiß Beate Korf aus ihrer Arbeit. Heimat, das ist in der Welt von Kindern Familie, Freunde, eine vertraute Sprache, gemeinsames Essen, Geschichten, Musik, religiöse Riten, angenehmes Klima und Landschaft.

          Angst vor dem Verlust der Identität

          In den Gesprächen nimmt sie viele Ängste vor dem Fremden und dem Verlust der eigenen Identität wahr. Aramäer sorgen sich vor einer wachsenden Zahl von Muslimen. Die Muslime vor der Missionierung in einer christlich geprägten Umgebung. Und die alteingesessenen Hausener Familien fürchten den Verlust heimatlicher Traditionen, die seit Generationen das Leben am Schiffenberg prägen.

          Offen über Spannungen reden

          Beate Korf und Birthe Steiß machen die Erfahrung, dass die Kinder, die längst Freunde quer durch alle Kulturen haben, die Ängste der Eltern hören und teilweise übernehmen. Bevor sie die Texte des Musicals schreibt, arbeitet sich Beate Korf ein, liest Bücher und spricht mit Eltern.  „Wir haben eingeladen, offen über die Ängste und Spannungen zu reden“, blickt sie zurück.

          Mose verbindet Religionen und Konfessionen

          Zum ersten Mal wird das Musical nach den Sommerferien 2019 aufgeführt. Dabei sind auch muslimische Kinder aus Flüchtlingsfamilien. Dass ihre Kinder in einer Kirche singen, ist zunächst schwer zu akzeptieren für die Eltern. Leichter wird es ihnen, weil Mose eine über Konfessions- und Religionsgrenzen hinweg verbindende Gestalt ist.

          Muslime wollten Kirche zunächst nicht betreten

          Wenn auch die muslimischen Eltern im August nicht zur Aufführung in die Hausener Kirche kommen, so besuchen sie doch das Sommerfest im Pfarrgarten, das gemeinsam mit Flüchtlingshelfern aus Hausen gefeiert wird. Beate Korf sagt: „Ich akzeptiere, dass Muslime die Kirche nicht betreten wollen. Ich vertrete deutlich meinen christlichen Glauben. Und doch suche ich nach Gemeinsamkeiten zwischen den Menschen, die hier leben.“

          Projektwoche in der Schule

          An den Projekttagen im Januar mit dem wieder aufgelegten Mose-Musical beteiligen sich rund ca. 75 Kinder und das gesamte Kollegium der Grundschule Hausen. Während Beate Korf mit der Theatergruppe vier Tage lang die anspruchsvollen Texte und Lieder in der Kirche probt, üben die 1. und 2. Klässler ihre Auftritte als farbenfrohe Statisten. Zeitgleich werden in der Schule Kulissen gebaut, Kostüme genäht, Requisiten gebastelt und das Thema inhaltlich besprochen. Zum Abschluss jedes Projekttags kommen alle für eine Schulstunde in der Kirche zusammen, um gemeinsam die Refrains der Lieder zu singen und die Szenen mit den kleineren Theaterspielern zu proben.

          Eltern einträchtig nebeneinander

          Während der Projektwoche hat Schulleiterin Maraike Kollmann das Gefühl, dass ein Neustart stattfand. Nur zwei von 77 Kindern dürfen nicht aktiv mitsingen. Doch selbst deren Eltern sitzen am Ende der Woche einträchtig neben anderen Familien in der Kirche. „Ein gemeinsamer Auftritt von Kindern, egal welcher Religion, Konfession oder Kultur, bewirkt emotional bei stolzen Eltern sehr viel.“ Natürlich hat es die Verhältnisse nicht komplett geändert, aber es hat zu mehr Verständnis untereinander geführt und die Kinder schließen sich gegenseitig nicht mehr aus. „Das Miteinander steht weiter auf dem Lehrplan!“

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