Gutachten der Allianz für den freien Sonntag
Keine Spielräume für Sonntagskommmerz
bbiewDie Sonntagsverkäufer wollen "funktionsfähige zentrale Versorgungsbereiche" wahren. Die Sonntagsallianz meint: Niemand muss verhungern, weil sonntags die Geschäfte geschlossen sind.26.01.2018 bbiew Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Für verkaufsoffene Sonntage muss es einen Anlass geben. Im Hessischen Ladenöffnungsgesetz ist beispielsweise von Messen oder Märkten die Rede, die Sonntagsöffnung rechtfertigen könnten. Das IHK-Gutachten war zu dem Ergebnis gekommen, dass der gegenwärtige geforderte Anlassbezug keine zwingende Vorgabe für eine Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen darstellt. Der Gesetzgeber habe vielmehr gesetzgeberische Spielräume, um Sonntagsöffnungen zu ermöglichen. Als geeignete Sachgründe werden in dem Gutachten z.B. städtebauliche Ziele wie Sicherung oder Wiederherstellung attraktiver Wohn- und Lebensverhältnisse in den Innenstädten genannt. Insbesondere zur Vermeidung von Leerständen oder die Wahrung funktionsfähiger zentraler Versorgungsbereiche, die Steigerung der überörtlichen Sichtbarkeit sowie die Eigenpräsentation der Kommunen als attraktiver und lebenswerter Standort. Das heißt im Klartext: der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, jeder Anlass ist recht. Die Geschäfte könnten sonntags demnach eigentlich immer öffnen, wenn die „überörtliche Sichtbarkeit“ gesteigert wird.
Sonntag bleibt frei
Der von der Allianz für den freien Sonntag beauftragte Leipziger Arbeitsrechtler Dr. Friedrich Kühn kommt dagegen zu dem Schluss: Es gebe keine verlässliche Grundlage für gesetzliche Spielräume. In seinem Gutachten heißt es: „Eine Belebung der Innenstädte kann nicht dauerhaft davon abhängig gemacht werden, dass diese nur dann tragfähig ist, wenn einem Wettbewerber zu Lasten anderer Wettbewerber im Rahmen einer dauerhaften verfassungsrechtlichen Ausnahme ein Wettbewerbsvorteil gewährt wird. Weiter ist auszuschließen, dass einzelne Sonntagsöffnungen überhaupt geeignet sein können, die zahlreichen Fehlentwicklungen hinsichtlich der Belebung der Innenstädte nachhaltig auszugleichen.“ Auch die „Wahrung funktionsfähiger zentraler Versorgungsbereiche“ rechtfertigt laut Anwalt Kühn keine Sonntagsöffnung: „Das Hauptziel, die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, wird durch die werktäglichen Ladenöffnungszeiten und die bereits bestehenden Ausnahmen für den Verkauf von Waren an Sonntagen hinreichend gesichert.“ Mit anderen Worten: niemand muss verhungern oder verdursten, weil sonntags die Geschäfte nicht geöffnet haben.
Der Fachbereichsleiter Handel der ver.di Hessen und Aktiver in der „Allianz für den freien Sonntag, Bernhard Schiederig, erklärte: „Mit einer gewissen ‚Goldgräberstimmung‘ wurde über die vermeintlich neuen, erweiterten juristischen Möglichkeiten berichtet, diskutiert und spekuliert, die es angeblich leichter machten, verkaufsoffene Sonntage ‚rechtssicher‘ genehmigen zu lassen und quasi ohne Risiko einer gerichtlichen Untersagung veranstalten zu können. Diesen Illusionen tritt Dr. Friedrich Kühn entgegen.“
Das IHK-Gutachten und das Gegengutachten der Allianz für den freien Sonntag haben politische Brisanz. Das hessische Ladenöffnungsgesetz, das Ende 2019 ausläuft, will die Landesregierung in diesem Jahr auf den Prüfstand stellen. Diese Evaluation soll Aufschluss darüber geben, ob das Gesetz, das vier verkaufsoffene Sonntage pro Jahr ermöglicht und dafür einen Anlassbezug vorschreibt, weiter Bestand hat oder geändert werden soll.
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