Gottesdienst am 20. September
Gemeinde verabschiedet sich von Andreaskirche in Gießen
Hartmann
11.09.2025
mhart
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Der 1967 eingeweihte und mittlerweile baufällige Gebäudekomplex wird voraussichtlich Ende des Jahres abgerissen. Doch entsteht an derselben Stelle ein neues Kinder- und Familienzentrum mit Gemeinderaum, der auch für Gottesdienste und Gruppenaktivitäten genutzt wird, sowie Wohnungen.
„Wir haben die Vision, ein Begegnungs- und Anlaufzentrum für Anwohner und eine Kita mit Familienzentrum zu schaffen“, sagt Pfarrerin Wiebke Eßbach. Gemeinsam mit der Luther- und der Wicherngemeinde bildet die Andreasgemeinde seit Anfang 2024 die Evang. Gesamtkirchengemeinde Gießen Ost. „Kirche zieht sich nicht aus dem Eichendorffring zurück, sondern bleibt als kirchlicher Ort in veränderter, moderner und zeitgemäßer Weise in der Mitte der Anneröder Siedlung präsent“, versichert Michael Volk vom Kirchenvorstand.
Gebäude mit Kita und Wohnungen
Gebaut werden wird ein viergeschossiges Gebäude mit zwei Kita-Etagen und Wohnungen. Bauträger ist die “Zentrale Pfarreivermögensverwaltung” der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Sie hat Erfahrungen auch mit Zentren wie dem geplanten Neubau. Gerade wurde das Kinder- und Familienzentrum Paulus in der Gießener Nordstadt übergeben.
Schon seit geraumer Zeit leeren Gemeindemitglieder Räume, packen Materialien in Kisten und geben Möbel weiter. Manches zieht auch in das Gemeindehaus Am Lutherberg um, etwa die Paramente, also die besonderen Tischläufer, die auf Altar und Kanzel gelegt werden. Die Glocke aus dem Turm vor dem Gemeindezentrum und die Orgel sind im Internet in der Glockenbörse zum Verkauf eingestellt.
Außenkreuz soll stehen bleiben
Das vor rund 15 Jahren errichtete Kreuz des Bildhauers Olaf Beck aus Nordeck an der nördlichen Aussenseite soll aber auch künftig am neuen Gebäude stehen. Das über drei Meter hohe und 400 kg schwere Werk aus geschwungenen, flachen und schmalen Eisenblechen ist eine künstlerische Anlehnung an das diagonale Andreaskreuz. Gestiftet worden war das Werk von ehemaligen Konfirmanden der Gemeinde.
Das Ende des Gemeindezentrums am Eichendorffring kam nicht plötzlich. Zuletzt traten bedrohlich wirkende Setzrisse in den Mauern auf, weil der lehmhaltige Boden unter der Nachkriegssiedlung aufgrund der Trockenheit der letzten Jahre nachgegeben hat. Teile der Kita wurden in den Sommerferien 2023 gesperrt. Auf Dauer dringt Wasser in das Gemäuer und gefährdet das Gebäude. Unausweichlich wäre eine Kernsanierung gewesen, berichtet Michael Volk, vom Kirchenvorstand. „Eine umfassende Sanierung hätte die Gesamtkirchengemeinde Gießen Ost auf Jahrzehnte verschuldet und sämtlichen Spielraum für Gemeindearbeit genommen“, so der Kirchenvorsteher. Für die Gemeindemitglieder geht das nicht ohne Trauer ab. „Für viele Anwohner, auch für mich, sind der Kirchenraum und die Gemeindesäle Heimat geworden, sie sind ein Teil unserer Lebensgeschichte und das Gemeindezentrum insgesamt gehört zur Geschichte der Siedlung.“
Beate Freiesleben-Schmidt ist in der Andreaskirche getraut und ihre Kinder sind hier getauft worden. Gemeinsam mit ihrem Mann ist sie seit Jahrzehnten engagiert und arbeitet hier als Gemeindepädagogin. Tragisch für die Gesamtkirchengemeinde ist, dass ihr nach dem Abriss auch der baufälligen Wichernkirche für Gottesdienste vorübergehend nun nur noch die Kapelle auf dem Alten Friedhof und die katholische Thomas-Morus-Kirche zur Verfügung stehen, erzählt Freiesleben-Schmidt.
Für die Bauunterhaltung fehlt Geld
Die Gemeinde spürt hautnah, was der Kirche insgesamt widerfährt. Die Zahl der Mitglieder und damit die Einnahmen aus Kirchensteuern sinken und für die Bauunterhaltung fehlt das Geld fehlt. Die Gemeindepädagogin hört in vielen Gesprächen: „Schon wieder verschwindet eine Kirche, die Zahl von Christen sinkt kontinuierlich und die Anneröder Siedlung verändert drastisch ihr Gesicht.“
Doch mittlerweile überwiegt bei ihr aber die Zuversicht, das Neues entsteht und die Kirche in der Anneröder Siedlung präsent bleibt. „Für mich ist die Arbeit wichtiger als die Räume.“
Ähnlich denkt die 17-jährige Charlotte, Jugenddelegierte im Kirchenvorstand. Sie wünscht sich eine baldige Rückkehr in das neue Gebäude: „Hier in der Siedlung zu sein, ist wie Zuhause zu sein.“ Gleichzeitig ist sie auch der Ansicht, dass es vor allem um Treffpunkte für Menschen geht. „Wir machen die Räume zu dem, was sie für uns sind. Und solange die Leute mitziehen, sind die Räume eigentlich egal“, sagt sie.
Vorläufig treffen sich Gemeindegruppen im nicht so weit entfernten und gut mit dem Bus erreichbaren evangelischen Gemeindezentrum Am Lutherberg, erzählt Beate Friesleben-Schmidt, die Erwachsenen- und Seniorenarbeit gestaltet. Auch die Konfirmanden treffen sich bereits dort, ergänzt Charlotte.
Abriss nicht vor Ende des Jahres
Mit dem Abriss wird nicht vor Ende des Jahres begonnen. Bis dahin will man Gemeindemitgliedern und Anwohnern immer wieder die Möglichkeit geben, auch still im Gebäude Abschied zu nehmen, erzählt Pfarrerin Eßbach. „Genaueres wird im Abschiedsgottesdienst am 20. September zu erfahren sein."
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