Dekanat Gießen

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          Studie und Zahlen zu Mitgliedern

          Evangelische Kirche: Austritte nicht als gottgegeben hinnehmen

          Peter BongardDie Zelte beim Jugendkirchentag waren schnell gefüllt.Tausende Jugendliche machen begeistert mit bei den Jugendkichentagen der EKHN

          Die Evangelische Kirche in Deutschland veröffentlicht eine neue Studie zu Austritten und aktuelle Mitgliederzahlen. Und wie sieht es in Hessen-Nassau aus?

          Bildquelle: EKDAnzahl evangelischer Kirchenmitglieder in DeutschlandAnzahl evangelischer Kirchenmitglieder in Deutschland

          Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) will angesichts zurückgehender Mitgliederzahlen deutlicher auf die Ursachen schauen und hat dazu am Mittwoch (9. März) eine neue Studie über Ausgetretene veröffentlicht. Demnach ist ein Kirchenaustritt keine spontane Entscheidung, sondern das Ende eines längeren Prozesses. Und der beginnt der Studie zufolge oft schon mit einer fehlenden religiösen Sozialisation in der Familie. Dabei kristallisiere sich in der Folge eine persönlich empfundene Irrelevanz von Religion im täglichen Leben heraus. Hinzu trete durch die mangelnde Relevanz und Bindung an die Institution Kirche dann eine klar kalkulierte „Kosten-Nutzen-Berechnung“. Unter dem Strich stehe dann oft die Entscheidung, sich die Kirchensteuer zu sparen und aus der evangelischen Kirche auszutreten.  

           

          19,7 Millionen Menschen sind in Deutschland evangelisch

           

          Nach aktuellen Hochrechnungen auf Basis der vorläufigen Zahlen aus den Gliedkirchen der EKD gehörten zum Stichtag 31. Dezember 2021 insgesamt 19.725.000 Menschen einer der 20 Mitgliedskirchen in der Bundesrepublik an. Das sind rund 2,5 Prozent weniger als im Vorjahr. Ursachen für den Rückgang waren unter anderem die im Corona-Jahr erhöhten Sterbefälle (360.000) sowie die hohe Zahl der 280.000 Kirchenaustritte. Die Zahl der evangelischen Taufen hat sich mit 115.000 gegenüber dem ersten Lockdown-Jahr 2020 zwar deutlich erhöht, erreicht bislang aber längst nicht das Niveau von vor der Coronakrise. Die im Jahr 2020 unterbliebenen Taufen konnten bisher nicht nachgeholt werden. Die Aufnahmen blieben mit rund 18.000 ungefähr auf dem Vorjahresniveau.

           

          Hessen-Nassau folgt den bundesweiten Trends 

           

          Diese Trends spiegeln sich auch in den vorläufigen statistischen Zahlen der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) wider. Einer ersten Hochrechnung zufolge zählte die EKHN zum Stichtag 31. Dezember 2021 rund 1,40 Millionen Mitglieder. Das sind annähernd drei Prozent weniger als im Vorjahr. Hier hat im Pandemie-Jahr auch eine höhere Sterberate mit 24.000 Bestattungen (2020: 19.400) Folgen. Die Zahl der Austritte belief sich ebenfalls auf rund 24.000. Die deutliche Steigerung bei den Kirchenaustritten um fast 6000 gegenüber dem Vorjahr ist auch auf einen Nachholeffekt infolge geschlossener Bürgerämter während der Lockdowns im Jahr 2020 zurückzuführen. Gleichzeitig stiegen 2021 auch die Taufzahlen wieder an. Sie erreichen mit 8600 aber nicht das Niveau aus der Zeit vor der Pandemie. Zum Vergleich: 2019 gab es noch deutlich über 10.000 Taufen in der EKHN. Auch die Zahl der Kircheneintritte bewegte sich mit 1600 deutlich unter dem Niveau der Jahre vor der Coronakrise (2019: 2800). Die genauen statistischen Zahlen für das vergangene Jahr -  auch für die Regionen - werden im Juni 2022 vorliegen. 

           

          Reformprojekt „ekhn2030“ gestartet

           

          Die hessen-nassauische Kirche hat angesichts des gesellschaftlichen Wandels bereits vor zwei Jahren den umfassenden Reformprozess „ekhn2030“ eingeleitet. Ziel ist es, in Zukunft noch erkennbarer mitglieder- und gemeinwesenorientiert zu arbeiten. Derzeit ist dafür unter anderem ein spezielles Projekt in Planung, das es Gemeinden vor Ort noch leichter machen soll, ihre Mitglieder mit den Angeboten zu erreichen, die sie aktuell brauchen. Zudem nimmt „ekhn2030“ die Lebenswelt Jüngerer und junger Erwachsener besonders in den Blick. Als einzige evangelische Landeskirche Deutschlands veranstaltet die EKHN beispielsweise schon jetzt alle zwei Jahre einen speziellen Jugendkirchentag für bis zu 4000 Teilnehmende.

           

          Entschieden gegensteuern, wo es möglich ist

           

          „Zwar hängt die Ausstrahlkraft einer Kirche nicht allein an der Zahl der Mitglieder, die ihr formal angehören, trotzdem werden wir sinkende Mitgliederzahlen und anhaltend hohe Austrittszahlen nicht als gottgegeben hinnehmen, sondern dort, wo es möglich ist, entschieden gegensteuern“, sagt die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, anlässlich der jüngsten Mitgliedschaftsentwicklung. Dazu beitragen sollen in diesem Jahr unter anderem auch gezielte Taufinitiativen. Mit zahlreichen Aktionen werden in vielen Regionen derzeit besondere Taufangebote unterbreitet, um Familien, die während des Lockdowns kein Tauffest feiern konnten, Gelegenheit zu geben, die Taufe nachzuholen. „Bei der Taufe eines Kindes erfahren wir unmittelbar, wie die Kraft des Evangeliums Menschen berührt und stärkt“, so Kurschus. „Der Segen begleitet die Getauften ein Leben lang. Diese Zusage ist gerade in unsicheren Zeiten verheißungsvoll und heilsam zugleich“, so die Ratsvorsitzende.

           

          Neue Studie zu Austritten im Detail

           

          Ursachenforschung betreibt die evangelische Kirche bei den Austrittsgründen mit einer speziellen Untersuchung. In einer qualitativen Teil-Studie und einer repräsentativen Umfrage hat das Sozialwissenschaftliche Institut (SI) der EKD Gründe und Anlässe für Kirchenaustritte erhoben, die seit 2018 erfolgt sind. Dabei wurde deutlich, dass nur eine Minderheit der Befragten einen konkreten Anlass zum Kirchenaustritt (24 Prozent vormals Evangelische, 37 Prozent vormals Katholische) hatte. „Es ist davon auszugehen, dass Skandale zur Austrittsspitze 2019 beigetragen haben, insbesondere bei den vormals Katholischen“, so die Soziologin Petra-Angela Ahrens, die die Studie für das SI durchgeführt hat. In erster Linie vollziehe sich der Austritt jedoch als Prozess, der häufig schon mit einer fehlenden religiösen Sozialisation beginne. Bei den weiterreichenden Gründen für den Kirchenaustritt kristallisiere sich eine empfundene „persönliche Irrelevanz“ von Religion und Kirche als wichtiger Faktor heraus, so Ahrens. In diesem Zusammenhang werde gerade bei den vormals Evangelischen auch die mit dem Kirchenaustritt verbundene Ersparnis der Kirchensteuer als Grund angeführt (71 Prozent zustimmende Voten). „Damit bestätigt sich die geläufige Figur einer ,Kosten-Nutzen-Abwägung‘ zur Kirchenmitgliedschaft, die bei fehlender religiös-kirchlicher Bindung einen Austritt wahrscheinlicher macht“, so die Kirchensoziologin. Insbesondere bei den vormals Evangelischen lasse sich der zunehmende Bedeutungsverlust eines religiösen Selbstverständnisses über die Generationenfolge hinweg ablesen.

           

          Link-Tipps 
          EKD-Austrittsstudie (2022): 
          www.ekd.de/studie-kirchenaustritte

          Statistische Zahlen der EKHN (Jahr 2020) 
          www.ekhn.de/ueber-uns/daten-fakten.html

          Statistische Zahlen zur EKD: www.ekd.de/statistik

           

           

           

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