Pfarrer Bernd Apel wünscht der Kirche "mehr Brückenbaukultur"
StenderErinnerungen an viele Auslandsreisen bewahrt Bernd Apel in seinem Arbeitszimmer auf27.09.2022 ast Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Vor dem Wechsel auf die Profilstelle Ökumene in der damaligen Arbeitsgemeinschaft der Dekanate Grünberg, Hungen und Kirchberg war Apel insgesamt 15 Jahre Gemeindepfarrer in Wehrheim im Taunus und in Reiskirchen gewesen. Die Erfahrungen in der Gemeinde hätten ihn für den übergemeindlichen Dienst geerdet, sagt der gebürtige Hanauer. Dort ist Bernd Apel 1956 auf die Welt gekommen.
Studium der Religionspädagogik
Nach Abitur und Zivildienst studierte er zunächst Religionspädagogik mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung an der Evangelischen Fachhochschule Darmstadt, weil er für das Theologiestudium einen humanwissenschaftlichen Zugang für hilfreich erachtete. Vom einjährigen Berufspraktikum bei der Evangelischen Erwachsenenbildung in Frankfurt wechselte er in die Theologie-Hörsäle der Goethe-Universität Frankfurt und von dort an die Philipps-Universität Marburg. Schon damals interessierten ihn die Ökumene und die Theologien der sogenannten Dritten Welt besonders, erinnert er sich.
Spezialpraktikum in der Schweiz
Auf das Lehrvikariat in Herborn und in der Ev. Kirchengemeinde Annerod folgte nach dem zweiten theologischen Examen ein Spezialpraktikum an der Missionsakademie der Universität Hamburg und ein Sommerkurs an der Ökumenischen Hochschule in Bossey in der Schweiz.
Gemeindepfarrer in Wehrheim und Reiskirchen
Aus der Welt von Mission und weltweiter Ökumene ging es mit Ehefrau Erika, die er 1986 geheiratet hatte, 1988 zunächst in die Gemeinde nach Wehrheim. 1992 richtete sich die Familie dann mit den inzwischen zwei Töchtern im Pfarrhaus in Reiskirchen ein. Als die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau Anfang der 2000er Jahre Fach- und Profilstellen auf Dekanatsebene errichtete, nutzte er mit der Bewerbung im Jahr 2003 die Gelegenheit, sein langjähriges Engagement für die Ökumene zum Hauptgegenstand seiner Arbeit zu machen. Seit 2015 hat er sein Wirken auch auf das Dekanat Gießen ausgedehnt. Die letzte Veränderung folgte zum Jahreswechsel 2021/2022, als aus der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Dekanate Grünberg, Hungen und Kirchberg das Dekanat Gießener Land wurde.
Partnerschaft mit Krishna Godavari
Trotz der Veränderungen in den Rahmenbedingungen hat der Theologe und Pädagoge die großen Linien seiner Arbeit geradlinig weiterverfolgt. Die Partnerschaft mit der indischen Diözese Krishna Godavari zum Beispiel mit der Organisation der Besuche von Delegationen in Indien und der Gegenbesuche im Gießener Land. Neben den Kontakten auf Augenhöhe spielte die Unterstützung unterschiedlicher Bildungs- und Gesundheitsprojekte in der Partnerschaft eine große Rolle. Für diese Aufgabe holte er sich einen Partnerschaftsausschuss an seine Seite.
Laubach-Kolleg und Noble College
Wichtig waren ihm auch die Kontakte zwischen dem Laubach-Kolleg und dem Noble College in Machillipatnam, zuletzt vertieft durch einen Gottesdienst, der an beiden Schulen im Videochat gefeiert wurde. Mit der Erweiterung seines Dienstes auf das Dekanat Gießen kam auch die Partnerschaft mit Amritsar in Indien dazu. Überdies begleitete unter anderem das Austauschprogramm der Propstei Oberhessen mit der Methodistischen Kirche in den USA oder Pastoralkollegs der EKHN im Nahen Osten.
Interreligiöser Dialog
Offenheit und der Wille, über den Tellerrand zu schauen sind weitere Leitmotive seiner Arbeit vor allem im Austausch mit anderen Konfessionen und Religionsgemeinschaften in der Region und darüber hinaus. So engagiert er sich seit Jahren in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) Gießen-Wetzlar, deren Vorsitzender er auch bis vor Kurzem war. Kennenlernen, Feiern und Diskutieren standen und stehen für ihn im interreligiösen Dialog im Mittelpunkt.
Hessicher Integrationspreis
Diesen Austausch pflegte er vor allem mit muslimischen und jüdischen Gesprächspartnern, aber auch mit Buddhisten, Hindus und Bahai’i. Im von ihm begründeten „Rat der Religionen im Kreis Gießen“ richten die Mitglieder ihren Blick auch auf neue geistige und religiöse Trends in der Gesellschaft. Für diese Arbeit bekam der Rat im Jahr 2019 den Hessischen Integrationspreis verliehen.
Vorträge in Kirchengemeinden und Erwachsenenbildung
Seine Themen und Erkenntnisse bereitete er zu Vorträgen auf, mit denen er in den Kirchengemeinden der Dekanate Gießen und Gießener Land unterwegs war. Über den Rand seines eigenen Arbeitsbereichs blickte er auch im Dekanat, indem er sein Wissen zum Beispiel in der Arbeitsgemeinschaft Erwachsenenbildung Mittelhessen einbrachte.
Seine Kirche ist ihm noch zu "biodeutsch"
Seine alles in allem positive Bilanz nach 34 Jahren Pfarrdienst wird geschmälert von den „Sparbedingungen“ der vergangenen fünf Jahre. Als ein Theologe, der auch seine eigene Kirche kritisch sieht, bedauert er es, dass die Organisation sich nach wie vor als eine „biodeutsche“ präsentiert, in der die kulturelle Vielfalt der Gesellschaft nicht abgebildet wird. Auch wenn seine „Liebe zur Kirche“ ungebrochen ist, kritisiert er ihren „Verlust an theologischer Substanz. Wir streiten nicht mehr über Gott.“
Offenheit für neue Ideen gefragt
Für die Zukunft wünscht er seiner Kirche mehr „Brückenbaukultur“. Das gilt auch für die Nachbarschaftsräume, die im Rahmen des Zukunftsprojekts ekhn2030 der Landeskirche in den nächsten Jahren entstehen werden. Da sei Offenheit für neue Ideen, Öffnung von Kirchen und Gemeindehäusern und Ökumene auch auf der Gemeindeebene angesagt, findet er. Das in seinen Augen notwendigen Umdenken könnte zum Beispiel dazu führen, dass in einem (ehemaligen) evangelischen Gemeindehaus ein Raum für die Waschung von muslimischen Verstorbenen eingerichtet wird, die dann auf einem interkommunal betriebenen muslimischen Gräberfeld bestattet werden.
Jüngere werden "ihr Ding" machen
Wie es mit seiner Stelle weitergeht? „Die Jüngeren werden in anderen Formen ihr Ding machen“, glaubt Bernd Apel. Sicher ist allerdings, dass nicht alle Felder, die er beackert hat, weiterbearbeitet werden können, denn die bisher ganze Profilstelle Ökumene wird auf eine halbe reduziert.
Priorität hat jetzt die Familie
Persönlich hat er sich vorgenommen, im Ruhestand ab dem 1. Oktober zunächst ein Jahr lang keine pfarramtlichen Dinge zu tun. Auch die Gremienarbeit möchte er reduzieren, aber etwa den „Rat der Religionen“ weiter auf ehrenamtlicher Basis betreuen oder auch in Zukunft ökumenische Studienreisen anbieten. Bei all dem ist aber die Priorität zugunsten von der Familie und vor allem der Zeit mit dem jetzt anderthalbjährigen Enkel verschoben: „Da habe ich einiges nachzuholen“.
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