Horst Rühl informiert sich in Diakonie-Einrichtungen
Diakonie-Chef in Gießen: „Den Kreislauf der Armut durchbrechen“
Diakonie HessenHorst Rühl steht seit dem 1. Mai 2016 als Vorstandsvorsitzender an der Spitze der Diakonie Hessen.18.10.2016 red Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
„Die ab Januar 2017 geplante Erhöhung des Hartz IV-Regelsatzes reicht bei weitem nicht aus“, sagte Horst Rühl, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Hessen im Gießener Wilhelm-Liebknecht-Haus. „Der Satz muss um mindestens 70 Euro auf 480 Euro für einen Einzelhaushalt erhöht werden, um ein Mindestmaß dessen zu sichern, was für ein menschenwürdiges Leben nötig ist“, so Rühl.
Beim Gießen-Besuch des Diakonie Hessen-Vorsitzenden, der ihn zur Tafel, zum sozialen Brennpunkt Gummiinsel und zum Wilhelm-Liebknecht-Haus führte, standen Gespräche mit Mitarbeitenden aus Diakonie und Kirche zu Fragen der Armutsbekämpfung und der Flüchtlingsarbeit der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung (HEAE) im Vordergrund.
„Engagement der Freiwilligen ist fantastisch“
„Es ist bittere Realität, dass Menschen auf Tafeln angewiesen sind“, sagte Rühl. Er lobte die Gießener Tafelarbeit: „Das Engagement der vielen Freiwilligen bei der Gießener Tafel ist fantastisch.“ Die Bereitschaft, sich für andere einzusetzen, könne nicht genügend Wertschätzung erfahren „und wir brauchen sie dringend“. Dennoch dürfe der Staat damit nicht „aus seiner Verantwortung für ein menschenwürdiges Existenzminimum“ entlassen werden.
Kreislauf der Armut
Tafeln als Teil des täglichen Lebens machen laut Rühl „die Armut vieler sichtbar. Ziel muss sein: Tafeln wieder überflüssig zu machen.“ Der Diakonie-Chef wies dabei auch auf die in Deutschland steigende Kinderarmut hin: „Rund drei Millionen Kinder und Jugendliche sind von Armut betroffen. Jedes fünfte Kind lebt in Armut. Arme Kinder haben geringere Bildungschancen und weniger Möglichkeiten am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben als andere Kinder. So entsteht ein Kreislauf der Armut, dem junge Menschen kaum entrinnen können: Denn aus ihnen werden wieder arme Eltern. Das können und dürfen wir nicht hinnehmen.“
Gute Arbeit, die den Eltern beispielsweise eine eigenständige Existenzsicherung wie auch Zeit für Fürsorge und Familienarbeit ermögliche, sei ebenso wichtig wie gute Qualifizierungs-, Weiterbildungs- und Beschäftigungsangebote. „Nötig ist eine abgestimmte Politik zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, die Wege aus der Armut sichern und den Kreislauf der Armut durchbrechen“, so Rühl.
Besuch in der Erstaufnahmeeinrichtung
„Wir brauchen eine flächendeckende unabhängige Asylverfahrensberatung“ Im Gespräch mit kirchlichen Mitarbeitern in der Asylverfahrensberatung in der HEAE setzte sich der Diakonie-Vorsitzende dafür ein, dass „Flüchtlinge von Anfang an Zugang zu einer unabhängigen und qualifizierten Verfahrensberatung bekommen.“ Zurzeit wird die Verfahrensberatung in Hessen ausschließlich von den beiden evangelischen Kirchen in Hessen finanziert.
„Hier ist in Zukunft das Land stärker gefragt“, stellte Rühl fest. „Es darf nicht nur vom finanziellen und personellen Engagement von Kirche und Diakonie abhängig bleiben, ob Flüchtlinge eine Verfahrensberatung in Anspruch nehmen können. Wir brauchen eine staatlich finanzierte Verfahrensberatung.“ Neu ankommende Flüchtlinge seien meist nicht in der Lage, das Asylverfahren mit seinen komplizierten Abläufen ohne Beratung zu durchlaufen, schilderte Rühl. Begleitet wurde Rühl unter anderem von seinem Vorstandskollegen Wilfried Knapp, vom Leiter des Diakonischen Werks Gießen, Holger Claes, und von Dekan Frank-Tilo Becher vom Evangelischen Dekanat Gießen.
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