Neuordnung der kirchlichen Landschaft
Dekanatssynode Gießen befasst sich mit Reformprozess und Friedensethik
HartmannDie Dekanatssynode tagte im September 2022 im Michael-Gemeindehaus in Gießen-Wieseck03.10.2022 mhart Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Dekanat GießenBildung von Nachbarschaftsräumen im Dekanat Gießen. Im September war die Kirchengemeinde Heuchelheim-Kinzenbach noch unentschlossen, welchen Nachbarn sie sich anschließen wird.Das berichtete der Vorsitzende des Evangelischen Dekanats Gießen, Gerhard Schulze-Velmede, vor Vertretern von Gemeinden und Institutionen auf der Dekanatssynode, dem regionalen Kirchenparlament. Die Synode tagte am 30. September abends im Gemeindehaus der Gesamtkirchengemeinde Nord in Wieseck. Der Reformprozess betreffe alle Kirchengemeinden in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Konkret bedeute das die Bildung gemeinsamer Gemeindebüros in einer Region, die Organisation von „interprofessionellen Verkündigungsteams“ aus Pfarrer:innen, Gemeindepädagog:innen sowie Kirchenmusiker:innen und drittens die gemeinsame Gebäudebewirtschaftung.
Reform eröffnet Spielräume
„Ich erlebe die Bereitschaft aller Gemeinden, sich auf diesen Prozess einzulassen und sich konstruktiv einzubringen“, so Schulze-Velmede. Er nehme aber auch die Sorge wahr, dass den Gemeinden etwas weggenommen wird, wenn sie Teil eines Nachbarschaftsraums werden. Doch werbe er für eine andere Sichtweise. „Ich möchte Sie bitten, die Chancen zu sehen, die sich durch die Bündelung der Kräfte in der Verwaltung, im Pfarrdienst, aber auch bei der Bewältigung der finanziellen Engpässe ergeben. Die Reform ist dafür gedacht, Spielräume zu eröffnen“, sagte der Dekanatsvorsitzende an die Gemeindevertreter gewandt.
Der Bericht von Gerhard Schulze-Velmede
Drei Nachbarschaftsräume in Gießen, drei im Umland
Der stellvertretende Dekan, Andreas Specht, berichtete den aktuellen Stand bei der Bildung von Nachbarschaftsräumen. Fast alle 25 Gemeinden haben ihre Nachbarn für die Zusammenarbeit gefunden. Die Evangelische Martinsgemeinde Heuchelheim-Kinzenbach habe noch nicht abschließend entschieden, ob sie sich dem geplanten Nachbarschaftsraum Gießen Mitte anschließen oder mit den Gemeinden im Nachbarschaftsraum Biebertal zusammengehen werde.
Schaubild zum Stand der Bildung von Nachbarschaftsräumen
Bereits jetzt gibt es eine Gesamtkirchengemeinde Gießen Nord aus den Gemeinden Michael, Paulus und Thomas sowie Gießen Mitte aus Lukas und Pankratius. Zum vorgesehenen Nachbarschaftsraum Mitte werden außerdem die Gemeinden Johannes, Petrus, Stephanus, Kleinlinden sowie Allendorf/Lahn gehören. Im Gießener Osten arbeiten die Gemeinden Andreas, Luther und Wichern bereits zusammen. Im Umland von Gießen, so Specht, werden die Gemeinden Leihgestern, Großen-Linden und Lang-Göns einen Nachbarschaftsraum bilden sowie in Fernwald und Pohlheim die Gemeinden Steinbach, Albach, Garbenteich, Hausen und Watzenborn-Steinberg.
Im kommenden Jahr wird die Dekanatssynode den Regionalplan beschließen, der dann mit Beginn des Jahres 2024 in Kraft treten kann.
Christliche Friedensethik schließt militärische Selbstverteidigung der Ukraine ein
Die Gemeindevertreter hörten außerdem einen Vortrag des früheren Direktors des Theologischen Seminars in Herborn, Prof. Dr. Peter Scherle, zur Evangelischen Friedensethik angesichts des Angriffskrieges gegen die Ukraine. Der Theologe führte aus, dass es einerseits die christliche „Kultur der aktiven Gewaltfreiheit“ und des Gewaltverzichts gebe, andererseits die christliche Ethik sich realistisch mit der „Begrenzung von Gewalt“ auseinandersetze und das „Recht und die Pflicht zur Selbstverteidigung“ eines angegriffenen Landes vorsehe. Rechtlich und politisch betrachtet handele es sich bei dem Angriffskrieg gegen die Ukraine um einen Bruch des Völkerrechts, dem nicht nur die ukrainische Regierung militärische Mittel entgegensetzen dürfe. „Andere Staaten haben das Recht, die Ukraine beim Einsatz rechtserhaltender Gewalt zu unterstützen.“
Die Angst vor dem russischen Einsatz von Atomwaffen und einem Dritten Weltkrieg müsse ernst genommen werden, „aber in die Logik politischen Handelns überführt werden“ und auf eine glaubwürdige Abschreckung treffen. Gegenwärtig scheine es keine andere Möglichkeit zu geben, um Russland zu Verhandlungen zu zwingen, als die Unterstützung der Ukraine, die sich gegen ihre Unterwerfung zur Wehr setze. Scherle, der sich selbst biographisch in der Friedens- und Anti-Atombewegung der Achtziger Jahre ansiedelt, sagte wörtlich: „Die russische Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen lässt das Ziel einer Welt ohne Atomwaffen politisch unrealistisch erscheinen.“ Der Theologe betonte am Ende aber auch, dass der christliche Glaube nicht auf Angst beruhe, sondern auf die rettende und verwandelnde Kraft Gottes setze. Dieses Vertrauen ermögliche es der Kirche und stelle sie zugleich in die Verantwortung, die Hoffnung auf einen umfassenden Frieden im Sinne des biblischen „Schalom“ gerade jetzt zu bezeugen.
Diese Seite:Download PDFTeilenDrucken