Dekanat Gießen

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          Mail aus Tokio - die zweite

          Bushido und Christentum

          Bernd ApelGruppenfoto der japanischen GemeindeJubiläumsfoto mit deutschem Gast - zweite Reihe, Dritter von rechts: Ökumenepfarrer Bernd Apel

          Seit dem 1. Oktober lebt Ökumenepfarrer Bernd Apel im Studentenwohnheim des "Tomisaka Christian Center" im Tokioter Stadtteil Bunkyo. Nach dem zweiten Gottesdienstbesuch vor Ort beschäftigt er sich in seiner zweiten Mail aus Tokio mit einem Bushido-Pfarrer, einer ganzen Gemeinde auf einem Foto und einer Boygroup aus den Siebzigern.

          In Japan gibt es keinen (christlichen) Sonntag als Feiertag, sondern er und der Samstag  sind schlicht arbeitsfrei. Doch wenn man berücksichtigt, dass es im Jahreslauf etwa 15 shintoistisch geprägte, staatlich anerkannte Feiertage gibt, ist das doch wieder mit dem christlichen Hintergrund des deutschen Kalenders vergleichbar. Allerdings hatte ich schon berichtet, dass das Christentum zahlenmäßig hier eine untergeordnete Rolle spielt. Vielleicht, weil die Vorstellung eines einzigen allmächtigen Gottes mit den traditionellen religiösen Vorstellungen des Shintō und des Buddhismus wenig Übereinstimmung zeigt, sind nur etwas über 1 Million der 118 Millionen Japaner Christen. Die römisch-katholische Kirche hat davon ca. 510.000 Mitglieder; die größte protestantische Kirche in Japan ist die 1941 entstandene „Vereinigte Kirche Christi in Japan“ (Nihon Kirisuto Kyōdan, englisch: United Church of Christ in Japan, Abkürzungen: Kyodan, UCCJ). Sie hat etwa 200.000 Mitglieder in 1.725 Gemeinden und ihr gehören – außer den Anglikanern und den Lutheranern – die wichtigsten protestantischen Konfessionen an,

          Ein Jubiläum

          So besuchen wir mit der „Komaba Eden Church“ in einem ruhigen und eher schlichten Wohnviertel heute eine methodistische Gemeinde, die an diesem Tag ihr gerade mal 50-jähriges Jubiläum feiert. Geprägt hat die Gemeinde über viele Jahre hinweg Pfr. Takemi Sasamori (gest. 2017), der - selbst mehrfacher Großmeister des Kampfsports „Bushido“ - diesen nicht nur für mit dem Christentum vereinbar hielt, sondern offensiv weiterging: in seinem Buch „Bushido und Christentum“ hat er, nach 40 Jahren Erfahrungen im Pfarramt und 70 Jahren Training in Bushido, japanische Geschichte, Gleichnisse der Bibel und seine Prägung durch das Aufwachsen in einer Samurai-Familie miteinander verwoben. Er stellt dar, wie beide Traditionen Wege zu einem erfüllen Leben hin öffnen können. In vielen japanischen Medien wurde über ihn berichtet, er war gefragter Referent und Interviewpartner. Seine Lebensmission war es also, eine Brücke über die kulturelle Trennung von Ost und West zu schlagen.

          Eine fremde Religion

          Für eine japanische christliche Gemeinde war (und ist) eine solche dialogisch-offene Haltung eher selten. Denn zumindest der Protestantismus ist hier im Land, entstanden erst im 19. Jahrhundert wesentlich durch US-amerikanische freikirchliche Mission, kulturell stark mit dem globalen Westen verbunden und tut sich immer noch schwer mit dem interreligiösen Dialog und vor allem mit einer bewussten japanischen Kontextualisierung des Glaubens und dessen Ausdrucksformen. Genauso aber bedient er leider das Vorurteil vieler Japaner, das Christentum sei eine fremde bzw. ausländische Religion. Etwa so, wie zumindest bis in die 1970-er Jahre hinein fernöstliche Meditation oder Yoga dem deutschen bzw. dem evangelischen Christentum als verdächtig galten.

          Wichtig: ein gut gefülltes Konto

          Die freikirchliche Finanzierung durch Spenden und Kollekten – es gibt in Japan keine „Kirchensteuer“- führt auch dazu, dass viele Gemeinden sich weiterhin als „Komm“-Gemeinde verstehen und um prominente bzw. wohlhabende Mitglieder werben. Entsprechende Reputation und ein gut gefülltes Konto können dann leicht an die Stelle des eigentlichen missionarischen Anspruchs treten, an die Ränder der Gesellschaft zu gehen und selbstlos zu dienen. Auch in Japan werde ich so daran erinnert, wie viele sozialdiakonische Möglichkeiten zum öffentlichen Wirken die großen (Volks-)Kirchen in Deutschland haben und diesen Anspruch nicht aufgeben sollten.

          Schuhe aus!

          Vor dem Betreten des Kirchenraumes zieht man hier – ähnlich wie beim Besuch einer Moschee – übrigens die Straßenschuhe aus und Pantoffeln an, eigentlich um die in vielen japanischen Häusern immer noch üblichen leichten Holzböden zu schonen. Der Gottesdienst selbst verläuft dann mit einer Festpredigt zu Lukas 10, 20 („Freut euch, dass eure Namen im Himmel aufgeschrieben sind“) gar nicht so sehr anders als ein durchschnittlicher evange-lischer bei uns. Für meinen Geschmack betont der Prediger Pfr. Takahashi zwar etwas zu sehr den Gegensatz von weltlicher und christlicher Existenz, aber das ist bei Methodisten normal.

          Erfolgreiche Mission

          Und da bei „Freikirchen“ nicht so sehr die registrierte Mitgliedschaft gezählt wird, sondern eher das regelmäßige sonntägliche Erscheinen (samt dem Kollekte-Geben) ist es auch nicht verwunderlich, dass heute knapp zwei Drittel der derzeit 150 Gemeindemitglieder den Kirchenraum gut füllen. Beim Start im Jahr 1969 waren es angeblich gerade mal 10 – also ein gewisser missionarischer Erfolg. Ich selbst spreche ein kurzes Grußwort und drücke mit dem Überreichen eines EKHN-Facettenkreuzes die Solidarität der Christen in Deutschland aus.

          Boygroup

          Nach dem Segen und dem raschen Umräumen des Kirchenraumes beginnt die eigentliche Jubiläumsfeier – und die hat wirklich Atmosphäre. Zunächst wird von der Empore aus ein Foto fast aller Anwesenden geschossen – hier passt sozusagen die ganze Gemeinde auf ein Bild - und dann das (typisch japanisch!) bereits in Plastikboxen portionierte Mittagessen aufgetischt: Reis, Gemüse und Tofu sowie zum Nachtisch eine Mandarine. Das Ganze ist je individuell dekoriert mit bemalten Papierbasteleien. Nach dem Tischgebet darf bzw. muss ich als deutscher Gast zum Anstoßen mit kaltem, grünem Tee(!) „Prost“ bzw. “Kampai“ ins Mikro rufen. Später erzählen einige Ältere bzw. Weggefährten von Pfr. Sasamori Anekdoten und Erinnerungen. Und schließlich kommen vier Herren um die 60 Jahre nach vorne, alles Teilnehmer eines „Mission-Camps“ in Indonesien in den 1970ern, teilen Liedzettel aus und singen ergraut, aber mit junggebliebenen Herzen christliche und Volkslieder – eine Art methodistische „Boygroup“. „Subarashi“ – wunderbar!

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