Dekanat Gießen

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          Der Propst für Oberhessen lernt den Alltag der Telefonseelsorge kennen

          "Leitung an der Leitung"

          TelefonseelsorgeTelefonseelsorge: Die Gespräche sind immer anonymTelefonseelsorge: Die Gespräche sind immer anonym

          Der Propst für Oberhessen hat die Telefonseelsorge Gießen-Wetzlar unmittelbar erlebt. Beim Dienst am Telefon und im Gespräch mit Ehrenamtlichen.

          Als ausgebildete Seelsorger kennen sich Pfarrer in Krisensituationen aus. Auch der Propst für Oberhessen, Matthias Schmidt, weiß als erfahrener Seelsorger, wie er Menschen in existenziellen Nöten stützt. Für seinen heutigen Einsatz bei der Telefonseelsorge Gießen-Wetzlar braucht er aber eine gezielte Einweisung. Als Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau will er dieses seelsorgerliche Angebot unmittelbar kennenlernen. „Leitung an der Leitung“ heißt die Aktion anlässlich des 60-jährigen Bestehens der Telefonseelsorge in Deutschland . Bundesweit folgen Bischöfe und andere Mitglieder der Kirchenleitungen der Einladung.

          "Kontakt nur für die Dauer des Telefonats"

          Pfarrerin Martina Schmidt und Pastoralreferent Gerhard Schlett, beides erfahrene Telefonseelsorger, nennen ihm einige Grundsätze. So sind die Gespräche am Telefon immer anonym. Beratende am Telefon sollen sich und dem Anrufer immer wieder deutlich machen, dass der Kontakt nur für die Dauer des Telefonats besteht, erläutert Schlett. Auch Empfehlungen sind tabu, selbst wenn Anrufer oft Ratschläge erbitten, ergänzt Pfarrerin Schmidt. Ausdrücklich sollen Anrufende aber hören und spüren, dass ihnen aufmerksam zugehört wird, auch wenn es nur ein zeitlich begrenztes Gespräch bleibt. Die Gespräche dauern je nach Anliegen unterschiedlich lang. Wenn sie sich im Kreis zu drehen beginnen, dürfen sie mit Verweis darauf zu Ende gebracht werden.

          Die bundesweit gültigen Telefonnummern 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 sind gebührenfrei.
          Sie erscheinen nicht auf der Telefonrechnung. Anrufende bleiben anonym.

          Aufmerksam zuhören und keine Ratschläge geben

          Nach einer technischen Einweisung in das computergestützte Telefonsystem wartet Propst Matthias Schmidt nun auf Anrufe. Selbstverständlich ist er dabei allein, das Seelsorgegeheimnis wird gewahrt, keiner hört zu. Wie alle Mitarbeitenden der Telefonseelsorge unterliegt er der Schweigepflicht.Nach seinem mehrstündigen Dienst sitzt er mit einer Gruppe erfahrener Ehrenamtlicher zusammen. „Ganz großen Respekt“ hat er vor ihrer Tätigkeit. Ihn habe sein zweistündiger Dienst emotional stärker beansprucht, als er es sich vorher vorgestellt habe. „Was machst du da in deinem Leben? Das geht nicht!“ So hätte er am liebsten auf die ihm geschilderten Lebenserfahrungen reagiert. Doch seine Aufgabe sei es ja gewesen, aufmerksam zuzuhören und Ratschläge zu vermeiden.

          "Reden kann helfen"

          Die ehrenamtlichen Beraterinnen und Berater, sie gehören zum Kreis der über 50 Freiwilligen in der Region, schildern dem Propst ihre langjährigen Erfahrungen. Menschen in Not blickten auf unendlich verschlungene Problemknäuel und übersehen die Fäden, an denen sie ziehen können, um das Gewirr selbst aufzulösen. „Im Aussprechen klärt sich schon etwas. Reden kann helfen.“

          Einsamkeit in der Gesellschaft wächst

          In den Telefonaten spiegeln sich aber auch zwei gesellschaftliche Probleme deutlich wider. Einsamkeit sowie Mängel im Gesundheitssystem. Viele Anrufer lebten alleine und hätten keinerlei soziale Kontakte mehr, sagt eine jüngere Beraterin. Zugenommen habe in den letzten Jahren die Anzahl seelisch Erkrankter, denen keine angemessene Hilfe zu teil werde. Martina Schmidt und Gerhard Schlett wissen, dass viele Menschen sehr lange auf einen ambulanten Therapieplatz warten müssen. Fragwürdig finden sie, dass auf manchen psychiatrischen Stationen nachts oder am Wochenende statt ärztlicher Hilfe die Telefonnummer der Telefonseelsorge ausgegeben werde.Dass am Gesundheitssystem kontinuierlich gespart werde, zeige sich in ihrer Arbeit.

          Wie werden die Ehrenamtlichen mit dem Leid fertig?

          Manche von den Ehrenamtlichen sprechen seit über 15 Jahren mit ihnen unbekannten Menschen am Telefon. Kaum eine Schilderung menschlicher Krisen oder Abgründe ist ihnen noch fremd. Ganz Ohr zu sein für Sorgen und Ängste und doch immer Abstand zu wahren, ist Kern der Arbeit. „Ich muss mich abgrenzen, um nicht in den Gefühlsstrudel hineingezogen zu werden“, weiß eine ältere Mitarbeiterin. Propst Schmidt fragt nach hilfreichen Ritualen. Die Vielfalt der Antworten zeigt auch die Unterschiedlichkeit der Beratenden. Das Aufschreiben eigener Gedanken hilft einigen, sich auf die geschilderten Probleme zu konzentrieren und sie anschließend „wegzulegen“. Hilfreich sei für sie das monatliche Beratungsgespräch, die sogenannte Supervision, erzählt jemand. Manchmal aber helfe nur ein Anruf bei einem der hauptamtlichen Seelsorger. Ein anderer fährt mit dem Fahrrad nach Hause und fühlt sich durch die körperliche Anstrengung anschließend entlastet. Eine Frau sagt freimütig, sie könne im Gebet ihre „persönliche Belastung an Gott abgeben“.

          Offen für alle

          Grundsätzlich ist das Angebot der kirchlichen Telefonseelsorge offen für alle, unabhängig von Religion, Konfession oder Nationalität. Getragen wird die regionale Telefonseelsorge jedoch von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, den Evangelischen Kirchenkreisen Braunfels und Wetzlar gemeinsam mit den katholischen Diözesen Mainz und Limburg. Von diesen Kirchen kommt das Geld zur Finanzierung der Arbeit, vor allem auch zur Ausbildung und Betreuung der Ehrenamtlichen. Demnächst beginnt wieder ein neuer, knapp ein Jahr dauernder Ausbildungs-Kurs, in dem noch Plätze frei sind. „Kostbar“ nennt der Propst am Ende seines heutigen Besuchs der Telefonseelsorge diesen Dienst und verspricht zum Abschied, sich dafür künftig stark machen zu wollen.

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